Frauen der Indianer

Eine Bemerkung vorab: Minnesota, Oregon, Montana, Arizona – Hunderte Orte tragen im Namen das Wort „Squaw“ (z. B. Squaw Valley, olympische Winterspiele 1960). Diese Beinamen wurden umgetauft.

Grund: Wie so oft hat das weiße Klischee ein Wort verbreitet, das in seiner Benutzung weit weg von der Wirklichkeit ist. Eine der schlimmsten Verunglimpfung ist das Wort Squaw, mit dem die Literatur und die Westernfilme ein Wort geschaffen haben, das Seinesgleichen sucht. Squaw ist nicht die Bezeichnung für eine Indianerin – ein Pseudonym für alle indianischen Nationen gibt es nicht – sondern ein Wort der Mohawks aus der Algonkin-Sprache aus dem Nordosten Amerikas.

Forscher Vernon Foster, Universität Berkeley, erläutert: Mohawks nannten weibliche Genitalien „Otsiskwaw“. Weiße Siedler konnten das nicht aussprechen und kürzten es auf „Squaw“. Das Wort bezeichnet somit das weibliche Geschlechtsteil und steht für die Bezeichnung einer Hure.

Wenn die Indianerin den Reichtum der Mutter Erde in die von ihr zum Überleben benötigten Produkte umformte, war sie zugleich Sammlerin, Pflanzerin, Köchin, Gerberin, Schneiderin, Töpferin, Weberin und Hausbäuerin – kurz gesagt war sie Schwerstarbeiterin und Künstlerin. Nicht zu vergessen erfüllte sie noch die Rollen der Ehefrau und Mutter.

Das Leben der meisten Frauen war in der Mitte zwischen den Extremen einer königlichen Pocahontas und einer Lasten schleppenden Elendsfigur angesiedelt.
Die Indianerin genoss wohl eine gewisse Hochachtung bei den meisten Stämmen, wurde aber gewöhnlich von den Männern als persönliches Eigentum angesehen, über das sie nach Gutdünken verfügen konnten.

Letztlich hatte der Vater, der Gatte oder der älteste Bruder das Sagen. Bei den Prärievölkern musste sie beispielsweise den Mann im Tipi zuerst während der Mahlzeiten bedienen, ehe sie an sich selbst denken konnte. Keine Hausarbeit war zu mühsam oder zu hart für sie. Auf die Hilfe ihres Lebensgefährten durfte sie nicht zählen – er widmete sich einzig und allein seiner Lieblingsbeschäftigung, der Jagd oder dem Krieg, und ließ sich nicht dazu herab, sich des Haushaltes anzunehmen.
Von frühester Jugend an war die Indianerin zur gefügigen Ehefrau erzogen worden, die ihrem Gatten jeden Wunsch von den Lippen ablas. Obschon die Bleichgesichter jeden Weißen, der eine Indianerin geheiratet hatte, verächtlich Squaw-Mann nannten, wurden die roten Mädchen weder von Cowboys noch von Ranchern verschmäht.

Einer von ihnen, Teddy Blue Abbott, sang sogar ein richtiges Loblied auf die Indianerin als Gemahlin: „Sie sind wundervolle Ehefrauen. Sie widersprechen einem Manne nie und tun doch, was sie wollen. Aber was sie wollen, das muss jedem Manne, der seine fünf Sinne beisammen hat, gefallen. Weiße Frauen sind ganz anders.“

Die Indianerin war auch eine liebevolle Mutter für ihre Kinder, die sie sorgsam behütete. Sie brachte ihnen die Sitten und Gebräuche des Stammes bei, klärte sie über die religiösen Praktiken auf, lehrte sie alle Details ihrer eigenen Sprache, erzog sie zu abgehärteten, zähen und genügsamen Menschen, die in ihrer feindlichen Umwelt zu Überlehen vermochten.
Seltsamerweise verliefen Indianergeburten viel leichter als die der weißen Frauen. Die Mutter des Neugeborenen pflegte sich sofort nach der Niederkunft im Fluss zu reinigen, sogar mitten im strengsten Winter. Indianerinnen, die mit weißen Männern Kinder hatten, gebaren merkwürdigerweise viel schwieriger.

Der Indianerfrau wurde zudem der gesamte Haushalt aufgebürdet. Ihr Aufgabenbereich war sehr unterschiedlich und machte sie zu einer richtigen Schwerstarbeiterin, die manchmal unter der Last der ihr zugemuteten Plackerei zusammenzubrechen drohte. Sie kümmerte sich um das tägliche Essen und buk aus Mehl salzloses Brot, sie bestellte die Felder und brachte die Ernte für ihre Familie ein, sie sammelte Feuerholz und grub Wurzeln aus, sie stellte das Tipi auf und baute es wieder ab, sie enthäutete und zerlegte die geschossenen Bisons, sie schnitt das Fleisch in dünne Streifen und hängte es zum Trocknen auf, sie las den Büffeldung zusammen und stapelte ihn als Heizmaterial …

Mit gewisser Befriedigung und fröhlicher Unbekümmertheit kam sie ihren häuslichen Pflichten nach, auch wenn sie unter dem Druck der schweren körperlichen Arbeit zusehends alterte. Im Lauf der Jahre entwickelte sich die Indianerin zu einer richtigen Künstlerin, die mit geschickter Hand Häute und Felle gerbte, Kleidungsstücke und Zaum oder Sattelzeug herstellte und mit Stickerei verzierte Überzüge für die Zeltstangen nähte, sich im Körbeflechten, Töpfern und Weben versuchte und es in diesem Kunsthandwerk zu unübertroffener Vollkommenheit brachte.

Im allgemeinen beteiligten sich die Indianerinnen nicht an den Kriegen und Raubzügen der Männer. Nur sehr selten gelang es einer Indianerin, sich im Kampfgetümmel als ausgezeichnete Kriegerin zu bewähren. Bei den Crows erlangte ein im Alter von zehn Jahren gefangen genommenes Mädchen späterhin Berühmtheit als hervorragende Reiterin und Jägerin, die gegenüber dem Feind ihren Mann stellte. Die tapfere Maid wurde sogar als Anführer der Crows anerkannt und hieß fortan Woman Chief (Weiblicher Häuptling).

Bei vielen Indianernationen wurde den Frauen Gewalt über Leben und Tod der Gefangenen zugesprochen. Die Indianerinnen waren dafür berüchtigt, noch viel grausamer als die Männer zu martern und sich die unsäglichsten Torturen einfallen zu lassen.
Erwies sich das Dasein einer Indianerin meistens als ein hartes Los, so hatten die Frauen bei den Irokesen eine einzigartige gesellschaftliche Stellung inne. Sie beackerten wohl die Felder und vernachlässigten den Haushalt nicht; sie verfügten aber über einen Einfluss im Stamm, von dem eine normale Indianerin nicht einmal zu träumen wagte.

Ihre Machtbefugnisse reichten so weit, dass sie sogar die Wahl des Häuptlings bestimmten und ihn mit Schimpf und Schande fort jagen konnten, falls er ihre Erwartungen nicht erfüllte. Von Zeit zu Zeit tauchten bei einzelnen Stämmen Frauen auf, die Geschichte machten. So wurde Pocahontas, die Indianerprinzessin des Algonkin-Volkes der Powhatans, 1616 in London am königlichen Hof mit großer Ehrenbezeugung empfangen. So führte eine einfache Shoshonen-Frau namens Sacajawea (Vogelfrau) die beiden Forscher Meriwether Lewis und William Clark 1805 auf ihrer Expedition nach Westen und sorgte dafür, dass das erste Treffen der Shoshonen mit den Weißen friedlich verlief.

Frauenbünde
Vor allem im Gebiet des oberen Missouri gab es auch Frauenbünde. Bei den Mandan vollzogen die Gänsefrauen und der Weiße-Bisonkuh-Bund die Riten, mit den die Bisonherden in ihre Territorien gelockt und die Maisernten gesichert werden sollten.

Frauen als Drahtzieher der Macht
Übten die Männer scheinbar die Macht nach außen aus, indem sie die Hauptentscheidungen des Sechs-Nationen-Bundes trafen, so war doch den Frauen die wirkliche „innere“ Führung der Irokesen-Koalition vorbehalten. Sie kontrollierten die Wahl des Sachems und konnten ihn absetzen, falls er seinen Pflichten nicht genügte.

Den Frauen gehörten die Langhäuser, die Felder und die Werkzeuge. Trennten sie sich von ihren Gatten, blieben die Kinder bei ihnen.

Somit war die irokesische Gesellschaftsform, in der die Frauen den Ton angaben, ein richtiges Matriarchat. Innerhalb jeder Nation des Bundes gab es ein Dutzend Clans, denen jeweils eine „Clanmutter“ oder »Matrone« vorstand. Der Einfluss der »Clanmütter« überwog bei weitem das Prestige der von ihnen gewählten Sachems, denen sie lediglich ihre politischen Befugnisse zeitweilig übertrugen. Bei keinem anderen Indianervolk Nordamerikas war die Autorität der Frauen so unbestritten anerkannt wie bei den Irokesen.

Die Macht weiblicher Verwandtschaft
Bäuerliche Gemeinschaften, mit einer dichteren Bevölkerung, ansässig in dauerhafteren Niederlassungen, machten eine komplexere Sozialordnung und politische Organisation erforderlich, als dies bei den mobileren Jäger- und Sammler-Gruppen der Fall war. Im Zusammenhang mit der Naturverehrung führte dies zu einem ganz besonderen Ergebnis.

Zwar wurden verwandtschaftliche Bindungen an sämtliche Ausdrucksformen des Lebens bei allen Völkern akzeptiert, aber die Ackerbauern neigten dazu, nur eine einzige verwandtschaftliche Beziehung (unter Ausschluss aller anderen) gelten zu lassen, wenn es um die familiäre Abstammung ging.

Am häufigsten folgten sie den Verästelungen des Familienstammbaums über die Mutter, da die Frauen, als Spenderinnen des Lebens, offenbar ein besonderes Verhältnis zum Land und seinen lebenschenkenden Eigenschaften – und deshalb zu allen anderen Formen des Lebens – hatten.

Überall in den Siedlungen des Südens und Ostens – die große indianische Kultur eingeschlossen, die später als Mississippi-Kultur bekannt geworden ist – leitete man seine Herkunft hauptsächlich von der mütterlichen Linie ab. Generationen von Müttern und Töchtern bildeten zunehmend größere soziale Einheiten, die sogenannten Lineages. Matrilineages (Erklärung) bestanden aus Müttern und ihren Kindern, wobei die Autorität von den Brüdern der Frauen auf die Söhne der älteren Frauen überging, d. h. von den Mutterbrüdern auf deren Schwestersöhne oder Neffen.

Für einen Mann war es von Vorteil, Bruder einer mächtigen Matriarchin zu sein. Die vorherrschende politische Struktur so verschiedener bäuerlicher Gesellschaften wie der Mississippi- und der Pueblo-Kultur war ein Häuptlingstum mit erblichen Führern. An der Spitze jeder Gemeinschaft stand ein Mitglied einer matrilinearen Elite.

Er – oder manchmal sie – fungierte als Schaltstelle für ein ausgedehntes Netzwerk aus religiösen und kommerziellen Beziehungen. Der Anführer war dafür verantwortlich, dass die Gemeinde und die gesamte Region mit allem Nötigen versorgt wurden, das bedeutete in erster Linie Nahrungsmittel und übernatürliche Kraft – eng miteinander verbundenen, weil lebenerhaltenden Grundstoffen.