Nomadische Jäger aus Sibirien waren die ersten, die den amerikanischen Kontinent besiedelten. Aus ihren Sprachen – von denen jede Spur verloren ist – entwickelte sich eine Fülle jüngerer Sprachen, um die 2200. Obwohl viele von ihnen unter der Herrschaft der Weißen erlsochen, schätzt man, dass die Indianer, die nördlich von Mexiko leben, heute immer noch etwa 300 Sprachen mit 2000 Dialekten sprechen.
Die großen Wanderungen auf dem nordamerikanischen Kontinent führten dazu, dass die zu einer Sprachfamilie gehörenden Sprachen oft eine weite Verbreitung fanden. Die Eskimo-Aleute-Sprachen z.B. werden in der gesamten Arktis gesprochen. Die Sprachen der Apachen und der Navajos des Südwesten gehören zur Athapaskan-Sprachfamilie, deren andere Mitglieder in der westlichen Subarktis zu finden sind.
Die Schrift der Indianer bestand vor dem Kontakt mit Europäern aus Piktogrammen – Bildsymbolen, die über Sprachgrenzen hinweg verstanden wurden.
Das moderne Gemälde (1951) des Dakota-Sioux Oskar Howe zeigt einen lehrenden Stammesältesten. Bis vor kurzem waren die meisten Sprachen der Indianer Nordamerikas ungeschrieben, so dass alles Wissen und alle Überlieferungen mündlich weiter gegeben wurden.
Der Yellowstone River durchfloss die Gebiete der Schwarzfuß- und Krähen-Indianer. Obwohl beide Stämme benachbart waren, gehörten sie verschiedenen Sprachfamilien an.
Stumme Zeichensprache
Obwohl im babylonischen Sprachengewirr Nordamerikas keine indianische Universalsprache gedeihen konnte, reifte trotzdem auf den Plains eine stumme Zeichensprache heran, die allen Stämmen geläutig war.
Dass diese Gebärdensprache, die aus einer Reihe von Gesten mit Armen, Händen und Fingern bestand, sich gerade auf dem Gebiet der weiten Prärien entwickelte, war kein Zufall. Während der alljährlichen Bisonjagd stießen dort Jäger der verschiedensten Nationen aufeinander und wiesen sich durch Handzeichen als Freund oder Feind aus.
Ihre vielseitige und eindrucksvolle Zeichensprache, in der ungefähr vierhundert Gebärden dasselbe wie 1000 bis 1200 Wörter zum Ausdruck brachten, ermöglichte selbst die schwierigsten Gespräche und ließ sich besonders auf Kriegszügen vorteilhaft gebrauchen, wo absolutes Stillschweigen von Nöten war. Ohne einen einzigen Laut, nur mitbestimmten Körperbewegungen und dem Gesichtsausdruck konnten die Indianer sich so gut verständigen, dass wildfremde Stämme allein mit Hilfe der Gebärdensprache sogar komplexe Verträge abschließen konnten.
Wurde mit dem rechten Zeigefinger ein Strich quer über die Stirn gezogen, womit man die Hutkrempe andeutete, ging die Rede vom weißen Mann. Um eine Frau zu bezeichnen, fuhr man sich mit gespreizten Fingern durchs Haar, als oh man sich kämmen würde. Wollte man sich als Freund zu erkennen geben, schloss man die rechte Hand, hob den Zeige- und den Mittelfinger gegen den Himmel – mit der Handfläche nach außen – und bewegte die Hand langsam von der Gürtellinie bis auf Schulterhöhe.
Welch unglaubliche Perfektion die Verständigung durch Handzeichen erreichte, zeigt H.-J. Stammel an einem überzeugenden Beispiel: „Der amerikanische Wissenschaftler William Tomkins wies 1931 nach, dass in der indianischen Zeichensprache eine ganztägige Sitzung des Repräsentantenhauses korrekt und absolut verständlich wiederzugeben war. Er diktierte – einem Indianer, auch Wissenschaftler – den Text eines vollständigen Friedensvertrages des Jahres 1868, und dieser sprach den ihm durch Zeichensprache übermittelten Text auf ein Tonhand. Ursprünglicher Text und aus der Zeichensprache zurück übersetzter Text wichen in keinem Detail voneinander ab.“
„Gemalte Rede“ aus Symbolen und Bildern
Neben ihren Sprechsprachen, ihrer Zeichen- und Signalsprache kannten die Indianer auch eine „gemalte Rede“ aus Bildern und Symbolen, die sie auf Bison- oder Hirschleder oder auf Baumrinden zeichneten.
Die indianischen Schriften, die nicht wie die europäischen auf der Anordnung und Abfolge von Buchstaben gründen, sind regelrechte Piktographien oder Bilderschriften, die einige Stämme des Südostens und die Irokesen zu einer richtigen Kunstform entwickelten.
Das auf fünf Birkenrindenstücken eingeritzte Walam Olum der Delawaren, die Büffelhäute mit der Darstellung der wichtigsten Ereignisse aus Sitting Bulls bewegtem Leben, die Malereien auf Bisonmänteln und -decken verschiedener Prärienationen, die als Stammes-Chronik gedachten „Wintererzählungen“ der Sioux, die Kalender der Kiowas – das sind die wichtigsten erhaltenen Beispiele indianischer Bilderschrift. Eine Buchstabenschrift wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von dem Cherokee Sequoyah entwickelt.
Viele indianische Amerikaner haben ihre alte Sprache bis heute bewahrt. Mindestens 100.000 Menschen sprechen Navajo. Die Gros Ventre von Montana haben ihre einst ausgestorbene Sprache sogar wieder aufleben lassen.
Häuptling Sequoya – Erfinder des Cherokee-Alphabetes
Auf europäische Vorbilder lassen sich die wenigen Indianerschriften zurückführen, die auf einem Alphabet basieren. Die bekannteste davon ist die Silbenschrift der kulturell hochstehenden Cherokees, die der Mischling Sequoyah zwischen 1809 und 1821 ausarbeitete, indem er aus lateinischen Buchstaben und eigenen erfundenen Zeichen ein Cherokee-Alphabet erstellte, das bereits in wenigen Monaten weite Verbreitung fand und erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Bedeutung einbüßte.
Sequoya, der eigentlich Sikwayi hiess, ist der Begründer des Cherokee-Alphabets. Er wurde 1760 als Sohn einer Cherokee und eines deutschen Händlers geboren und indianisch erzogen. Über seine Kindheit ist nur bekannt, dass er sich auf Grund eines Jagdunfalls eine lebenslange Körperbehinderung zuzog. .
Er verdingte sich als Jäger und Pelzhändler und arbeitete in einer Silbermine. Als Unterzeichner von Verträgen und anderen Urkunden erschien er erstmals 1816. Sequoya ahnte wahrscheinlich, dass Bildung für seine Leute sehr wichtig sein künnte, also stellte er 1809 ein eigenes Alphabet zusammen. Er dachte, ein gebildeter Indianerstamm habe bessere Chancen und mehr Möglichkeiten den Weissen gegenüber.
Als er sich auch durch den Spott und die Widerstände seiner eigenen Leute nicht von seiner Arbeit abbringen liess verdächtigten die Cherokee ihn der Hexerei und verbrannten seine Hütte sowie seine gesamten Aufzeichnungen.
Enttäuscht verließen Sequoya und eine Gruppe Cherokee nun das Gebiet ihres Stammes und liessen sich in Arkansas auf der anderen Seite des Mississippis nieder. 1821 kehrte Sequoya zum Hauptstamm zurück und brachte seinen ungläubigen Stammesgenossen eine geschriebene Botschaft der Arkansas-Gruppe. Er hatte ein Alphabet mit eigenen und lateinischen Buchstaben entwickelt, doch es hatte nie die Bedeutung des Alphabets der Weißen.
Das Alphabet des Häuptling Sequoya
Dieses Alphabet umfasste 85 Buchstaben, davon waren fünf Vokale, einer repräsentierte das „s“, der Rest stand für Silben, die allesamt aus einem Konsonanten und einem Vokal bestanden. Nachdem Sequoya sein Alphabet vorgeführt hatte, erklärten sich die Häuptlinge dazu bereit, es zu erproben. Diese Erprobung wurde ein großer Erfolg und schon nach wenigen Monaten konnten die meisten Cherokee des Stammes lesen und schreiben. Bereits 1828 erschien die erste Zeitung in der Cherokee-Sprache, sie hiess „Cherokee Phoenix“.
Da Sequoya seine Aufgabe nun erfüllt sah, ging er wieder nach Arkansas. Dort wollte er ein Universal-Alphabet für Indianersprachen schaffen, doch das entpuppte sich als undurchführbares Unterfangen. Als er dann von einer Gruppe Cherokee hörte, die einst nach Mexiko gewandert waren, machte er sich auf um deren Geschichte zu erforschen. Von dieser Reise kehrte Sequoya nicht zurück. Er starb 1843.
Sequoya´s Alphabet war für die Bewahrung der Traditionen des Volkes der Cherokee von grosser Bedeutung, weil sie nun unter anderem Rituale und Zeremonien (die vorher nur mündlich überliefert wurden) aufschreiben und sie so den Nachkommen ihres Volkes hinterlassen konnten.