Indianersprache

Wie verständigten sich die Indianer untereinander?
Aus dem Südwesten kamen die kleinen, gedrungenen Comanchen herangeprescht, wie verwachsen mit ihren Pferden. Aus derselben Richtung zogen auch die Kiowas und Kiowa-Apachen heran, die auf ihren Ponys etwas größer und weniger füllig wirkten.

Aus dem Nordosten näherten sich die stolzen und vornehmen Cheyennes, die Aristokraten der Ebene. Nicht weit hinter ihnen folgten die Arapahos, die Poeten der Prärien, von ernster Haltung und würdigem Auftreten.

Im Sommer des Jahres 1840 trafen sich ihre Abgesandten zu einer zeremoniellen Ratsversammlung am Arkansas, ungefähr einhundertzehn Kilometer östlich von Bent’s Fort, und schlossen Frieden untereinander.
Dank der Vielsprachigkeit ihrer Häuptlinge und der überall auf den Plains verbreiteten Zeichensprache konnten die vier Völker, die sich in fünf verschiedenen Sprachen ausdrückten, eine Verständigung erzielen. Allein dieses Beispiel zeugt schon zur Genüge von der sprachlichen Zersplitterung der nordamerikanischen Indianernationen. Zur Zeit der Entdeckung der Neuen Welt umfassten sie ungefähr zehn Millionen Menschen und redeten etwa 550 unterschiedliche Sprachen, wovon die meisten sich noch zusätzlich in zahlreiche Dialekte aufgliederten. Ein Sprachengewirr wie einst beim Turmhau zu Babel entstand in Nordamerika infolge einer unaufhörlichen, die Jahrtausende überdauernden Völkerwanderung.

Ständig wechselten die nomadischen Jäger ihren Standort, splitterten sich in kleinste Gruppen auf und durchstreiften das Land in allen vier Himmelsrichtungen. Die ununterbrochenen Wanderungen führten zu einer extremen Differenzierung der indianischen Ausdrucksweise und zu einer Sprachenvielfalt, wie es sie weder in Asien noch in Europa jemals gegeben hat.

Ein einzigartiger Sprachreichtum
Dass die Indianersprachen sich nicht im geringsten ähneln, spricht für eine etappenweise Besiedlung Nordamerikas durch nach und nach einwandernde Jägerhorden, die ihre eigene Mundart bereits aus Nordostasien mitbrachten. Seit Menschengedenken pflegten alle Völker die gesellige Unterhaltung, die in jeder Gesellschaftsform als wesentlicher Zeitvertreib galt. Gerade primitive Stämme waren vom Plaudern angetan.

Bei ihnen konnte ein guter Redner oder Geschichtenerzähler großen Einfluss ausüben. So ist es nicht verwunderlich, dass die asiatischen Neuankömmlinge auf amerikanischem Boden im Laufe der Jahrtausende einen Sprachreichtum schufen, der auf der ganzen Erde einzigartig sein dürfte, und sich eine abwechslungsreiche mündliche Überlieferung an Heldengedichten, Zauberformeln und Dramen zulegten.
Obwohl der amerikanische Forscher Joseph Mahan aus sprachlichen Verbindungen herausgefunden haben will, dass die Angehörigen einiger heute in Oklahoma lebender Stämme von asiatischen Völkern abstammen, die vor mehr als fünftausend Jahren blühende Zivilisationen an den Ufern des Indus entwickelten, bestreiten die meisten Sprachwissenschaftler nach wie vor die Existenz von Ähnlichkeiten zwischen den indianischen und den asiatischen Sprachen. Nur die hohen Schnalzlaute, die bei mehreren Indianervölkern des Nordwestens vorkommen, würden ganz entfernt das Chinesische in Erinnerung rufen.