Indianer Religion

Kurz vorab: Über den Glauben der Indianer in voreuropäischer Zeit weiß man nicht sehr viel Präzises. Mangels indianischer Dokumente muss man sich auf von Europäern verfasste Schriftquellen verlassen, und die sind entsprechend geprägt. Auch muss man sich, wenn von Indianerreligionen geredet wird, immer bewusst sein, dass vieles nur für bestimmte Regionen gilt.

Bei den meisten nordamerikanischen Indianern war der Glaube an übernatürliche Kräfte stark ausgeprägt. Hinter jeder Naturerscheinung – ob es der Wind, der Regen, oder Blitz und Donner war – sahen sie eine höhere Macht in Form von Geistern. Die Indianer glaubten, dass alle Dinge – ob es Lebewesen oder unbelebte Dinge waren – eine Seele hatten. Jeder Indianer hatte das Ziel, einen persönlichen Schutzgeist zu finden, der ihm bei der Jagd, im Kampf, aber auch für seine Gesundheit und für sein Ansehen bei Seite stand. Auf der Suche nach diesem Schutzgeist, zog sich der Indianer für mehrere Tage in die Einsamkeit zurück, in der Hoffnung, ihn in einem Traum zu finden.

 

Während dieser Zeit nahm er keine Nahrung zu sich, da man glaubte, dass sich die Wahrnehmung während des Traums dadurch verbessert. Der Geist konnte dann in jeder Form in Erscheinung treten. So konnte z.B. ein Adler, ein Hund, aber auch irgendein Gegenstand zum Schutzgeist werden, wenn der Indianer sie im richtigen Augenblick sah. Durch den Geist erfuhr er auch, welche Dinge ihn in seinem Leben Glück bringen. Diese Dinge (Stein, Feder, Halsband etc.) sammelte der Indianer dann schließlich, und stellte daraus seinen persönlichen Medizinbeutel zusammen, den er dann ständig wie einen Talisman bei sich trug.

Manitu
Im deutschsprachigen Raum wird unter Manitu irrtümlich vorwiegend die Gottheit der Indianer Nordamerikas verstanden. Das religiöse Empfinden der Indianer deckte sich jedoch nicht mit den Vorstellungen der Europäer. Der Gottesbegriff der Ureinwohner hatte nichts mit dem Gedankenbild der christlichen Religionen gemein. Unter Manitu stellen sich die Indianer keinen Gott in Gestalt einer Person vor. Manitu ist eine Energie, die sich den Indianern überall in der Natur offenbart.

Die höchste Macht, an der die Stämme aus der Sprachfamilie der Algonkin glaubten, war „Manitu“. Unter „Manitu“ stellten sich die Indianer aber keinen Gott in Gestalt einer Person vor, so wie es z.B. die Christen tun. „Manitu“ war eine Energie oder Kraft, die sich den Indianern überall in der Natur offenbarte. Unter Manitu verstehen die Algonkin-Indianer eine unpersönliche, außerordentlich wirksame Kraft, die in allen Wesen, Dingen, Tätigkeiten und Erscheinungen enthalten ist. Das heißt eine allen belebten und unbelebten Wesen innewohnende, durchströmende Zauberkraft. Ursprünglich stammt der Begriff von den östlichen Cree. Sie erachten Manitu weder als positiv, noch als negativ. Manitus können in Träumen erscheinen und speziellen Schutz, spezielle Kräfte oder Fähigkeiten verleihen. Kranke Algonkin-Indianer baten Manitu um Hilfe. Manitu kann im Ritus durch bestimmte Gegenstände oder in Träumen und Visionen durch mythische Tiere auf den Menschen übergehen.

Die Sioux sagten statt Manitu „Wakan Tanka“, die Apachen „Yasastine“, die Shoshonen „Pokunt“, die Crows „Maxpe“, und die Irokesen sagten „Orenda“. Aber all diese Worte hatten die gleiche Bedeutung. Sie bezeichneten das „Große Geheimnis“ oder das „Geheimnisvolle“, das alle Gegenstände und Geschöpfe durchdringt, eine Macht, die jeder Indianer spürte, wo immer er auch war.

Im Gegensatz zum europäischen Weltbild, fühlten sich die Indianer nicht als höhere Geschöpfe, die die Aufgabe hatten, sich die Erde untertan zu machen. Sie sahen sich als Teil eines Ganzen, bei denen alle Dinge wie Pflanzen und Tiere den gleichen Stellenwert hatten, wie sie selber. All diese Dinge hatten Manitu in sich. Daher erlegten sie z.B. auch nicht mehr Tiere als notwendig, und bedankten sich schließlich bei ihnen für deren Opfer.

Kitchi-Manitu bezeichnet das höchste spirituelle Wesen, das über sämtlichen übrigen Geistwesen stand. Dies wurde um 1850 von christlichen Missionaren benutzt, um die Vorstellung ihres Gottes zu erklären und weiter zu verbreiten. Mit dieser Erklärung konnten sie bei den Algonkin erstmals Erfolge verzeichnen.

Ewige Jagdgründe
Fast alle Indianerstämme glaubten an ein Weiterleben nach dem Tod. Der Begriff „Ewige Jagdgründe“ stammt wie so vieles von den Weißen. Die Ureinwohner Nordamerikas kannten nur die „Glücklichen Jagdgründe“. Allerdings hatten die verschiedenen Völker unterschiedliche Vorstellungen vom Jenseits. So glaubten z.B. die Cheyenne, dass sich die Seelen der Verstorbenen vom Körper lösten und über die Milchstraße, die sie „hängende Straße“ nannten, in das Reich des Hauptgeistes Heammawihio wanderten.

Die Comanchen hatten eine ähnliche Vorstellung. Sie glaubten an ein Tal, in dem es keine Sorgen und Schmerzen mehr gab, und in dem sie eine Unzahl von Jagdtieren vorfinden konnten.

So wie die Comanchen, waren auch viele andere Indianerstämme davon überzeugt, dass sich das Leben in den „Ewigen Jagdgründen“ dem auf der Erde ähnelt. Die Irokesen jedoch hatten eine etwas andere Vorstellung vom Jenseits. Sie glaubten nicht, dass die Seelen in eine heile Welt wanderten, sondern dass diese als Schatten bei den Lebenden verweilten.

Auch die Art der Bestattung war unterschiedlich. So wurden bei einigen Stämmen die Toten auf Holzgerüste bestattet, oder sie wurden auf Hügeln gelegt und mit Steine bedeckt. Andere Leichname wurden in Felsspalten versenkt, oder mit ihren Habseligkeiten verbrannt, was in Kalifornien vorwiegend der Fall war. Hier wurden auch die Unterkünfte der Verstorbenen zerstört, weil die kalifornischen Indianer so die Rückkehr der Totenseelen, vor denen sie Angst hatten, verhindern wollten.

Jeder der im Leben tapfer und ehrlich gewesen war, hatte das Recht, in die „Ewigen Jagdgründe“ einzugehen, und das war bei fast allen der Fall. Ausgenommen waren Selbstmörder, weil man sie als Feiglinge ansah. So gab es auch unterschiedliche Vorstellungen über den Weg ins Jenseits.

Bei den Sioux z. B. war dieser Weg zweigeteilt. Der eine Teil führte zu dem angestrebten Ziel, der andere in den Abgrund, wo die Bösen ziellos umherirren. Für die Crow wiederum war dieses Umherirren das bevorzugte Ziel. Sie waren dann frei wie die Vögel, während die Sündigen an einem Ort festgebunden waren.

Der Medizinmann
Neben dem Häuptling war der Medizinmann die herausragendste Persönlichkeit innerhalb eines Stammes. Das Wort stammt aus der Sprache der Chippewa und lautet im Original „Medewiwin“. Die europäischen Einwanderer leiteten schließlich daraus das Wort „Medizinmann“ ab. Obwohl der Ausdruck darauf schließen lässt, war der Medizinmann keineswegs nur für die Heilung von Kranken und die Behandlung von Wunden zuständig. Er war vielmehr der Mittler zwischen dem Übersinnlichen und dem Weltlichen, sowie Überlieferer von Brauchtum und Sitten. Der Medizinmann stand mit den Geistern und mit den Seelen Verstorbener in enger Verbindung, und vertrieb mit Hilfe seiner Zauberkraft böse Geister.

Dazu versetzte er sich durch rituellen Tanz in Ekstase oder in Trance, wobei das Letztere auch häufig durch Drogen hervorgerufen wurde. Schließlich knüpfte er Kontakt mit dem Jenseits, oder holte die kranken Seelen seiner Patienten aus ihren Körpern, um diese zu heilen. Neben diesen Aufgaben war er auch noch für die Beschaffung des richtigen Wetters verantwortlich. Außerdem war er Psychologe, Priester und Wahrsager.

Die Visionen des Medizinmannes wurden von den Indianer Nordamerikas sehr ernst genommen. So hatte beispielsweise Sitting Bull – der auch Medizinmann war – eine Vision über einen Angriff der US-Armee auf einem Indianerdorf, bei dem alle Soldaten getötet würden. Diese Vision erfüllte sich dann tatsächlich – bei der Schlacht am Little Big Horn. Medizinmänner, die all diese Künste beherrschten, wurden auch Schamane genannt.

Allerdings beschränkte sich die Heilkunst des Medizinmannes nicht nur auf Zauberkräfte. Auch in der Naturmedizin kannte er sich hervorragend aus. Für jedes Zipperlein, aber auch für schwere Krankheiten hatte er Kräuter und Tinkturen. Minze gegen Übelkeit, Stinkkohl gegen Asthma und Fichtenzapfen gegen Halsschmerzen sind nur einige Heilmittel, die er benutzte. Aderlass, Massagen und Schwitzbäder gehörten ebenfalls dazu. Der Medizinmann wandte aber auch psychologische Tricks an. So umtanzte er den Kranken und schlug währenddessen ständig eine Trommel, bevor er ihm schließlich – nach mehreren Tagen – irgendwelche Gegenstände wie z.B. Steine, Knochen oder Käfer aus seinem Körper saugte, die für die Krankheit verantwortliche gewesen sein sollen. In Wirklichkeit benutzte er aber diverse Taschenspielertricks und sorgte so für einen Placeboeffekt bei seinem Patienten.

Ob die Medizinmänner vorwiegend mit psychologischen Tricks arbeiteten, so dass man sie mehr als Scharlatane bezeichnen konnte, ob sie mehr die Naturmedizin eingesetzt haben, oder ob sie tatsächlich übersinnliche Kräfte und Wahrnehmungen hatten, sei dahingestellt. Aufgrund des Glaubens und der Religion bei den nordamerikanischen Naturvölkern war der Medizinmann bei jedem Stamm unentbehrlich.

Der Sonnentanz
Jedes Jahr im Juni oder Juli veranstalteten die Plains- und Prärieindianer, die sich zur alljährlichen Büffeljagd trafen, den zeremoniellen Sonnentanz, bei dem meist junge Krieger teilweise unvorstellbare Qualen durchstehen mussten. Früher nahm man an, dass der Sonnentanz im folgenden Jahr große Büffelherden garantiert. Oft wurde durch diesen Tanz ein Gelübde erfüllt, das während einer Hungersnot, Krankheit oder in Lebensgefahr abgegeben wurde. Die Feierlichkeiten fanden in einer Hütte statt, die nach Osten hin offen war, und in deren Mitte ein Baumstamm, dem so genannten „Sonnenpfahl“, aufgestellt wurde. Nach einem Schwitzbad (Inipi), das zur Reinigung der Tänzer diente, war es ihnen erlaubt, die Hütte zu betreten

Seine weiteste Verbreitung fand der Sonnentanz im 19. Jahrhundert. Für die meisten Völker der Ebenen ist der Sonnentanz ein viertägiger Zyklus heiliger Rituale und Tänze. Sie sind mit langen Torturen und teilweise mit Selbstquälereien verbunden. Jeden Tag fasten und tanzen die Tänzer stundenlang um einen heiligen Baum, welcher die Sonne darstellt.

Beim Sonnentanz kam es manchmal zu Selbstzerfleischungen oder Marterungen. Am letzten Tag werden jene, die sich für die Selbstquälung entschieden haben, mit Riemen an den Mittelpfahl gebunden. An den Riemen sind Holzstifte befestigt, die tief in die Brust oder den Rücken gestoßen werden. Diese Qual dauert 24 Lieder des Tanzes, mehrere Stunden. Am Höhepunkt dürfen die erschöpften Tänzer versuchen, sich ihrer Riemen zu entledigen und die Spieße aus dem Fleisch zu ziehen. Ein Erfolg tritt ein, wenn ein Teilnehmer während des langwierigen Martyriums eine Vision bekommt.

Im 19. Jahrhundert schockierten die Selbstmarterungen beim Sonnentanz weiße Beobachter, und 1881 wurde das Piercing verboten. Ein harter Schlag für die Indianer der Plains, die glaubten, dass der Sonnentanz ohne die Torturen unwirksam sein und die Erneuerung der Welt somit nicht stattfinden könne. In den folgenden Jahren führten viele Indianer für die Weißen Sonnentänze auf, bei denen sie mit Pferdegeschirr die alten Praktiken simulierten. Andere praktizierten die traditionellen Sonnentänze einschließlich der Marterungen heimlich weiter. Um vor der Ankunft weißer Beamter zu warnen, wurden Wachen aufgestellt.

Die Missionare bekämpften den Brauch jedoch und erreichten, dass er im Jahre 1910 vom „Bureau of Indian Affairs“ verboten, da die US-Regierung diese Torturen für zu unmenschlich hielt. Auch die Missionare empfanden diese Zeremonie als einen heidnischen Akt, der in ihren Augen die barbarische Mentalität der Indianer widerspiegelte. Erst 24 Jahre später, im Jahre 1934, wurde der Brauch von der US-Regierung wieder zugelassen, diesmal allerdings ohne die Selbstfolterung. Der Sonnentanz lebte jedoch erst in den 60er Jahren mit der wachsenden Militanz der Indianer auf.

Inzwischen ist der Sonnentanz wieder ein wichtiger Bestandteil der indianischen Identität und findet in vielen Wohngebieten der Plains-Indianer wieder statt. In manchen Regionen allerdings ist er zur Touristenattraktion verkommen.

(Eine weitere Version sowie die Skizze mit Anlage des Platzes für den Sonnentanz finden Sie unter „Geschichte“.)